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Hauptverband - "NEU" - Diktat der Wirtschaft

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Veranstaltung - KRANKE(N) KASSEN

Dienstag, 11. März 2008, 18.30 Uhr
Praterstraße 25, 1020 Wien

KRANKE(N) KASSEN - Konservative Gesundheitspolitik 2002 - 2006
Vortragender: Franz Bittner - Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse
Moderation: Franz Koskarti (FSG-Vors. der WGKK)

Gesundheitssystem "am Ende der Finanzierbarkeit"

Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse, referierte im Wiener SPÖ-Bildungszentrum

"Wir sind am Ende der Finanzierbarkeit und nicht bereit auch nur einen Cent mehr an Krediten aufzunehmen." Mit diesen Worten brachte Franz Bittner, Obmann der Wiener Gebietskrankenkasse die momentane prekäre Situation der WGKK auf den Punkt. Gemeinsam mit Franz Koskarti, FSG-Vorsitzender der Wiener Gebietskrankenkasse, sprach er am Dienstagabend im Wiener SPÖ Bildungszentrum unter dem Titel "Kranke(n) Kassen - Konservative Gesundheitspolitik 2002-2006" über die aktuelle Situation des Gesundheitssystems, die Folgen der schwarz/blauen Regierung und mögliche Lösungsansätze.

"Wenn es keine Lösung gibt, gerät die Wiener Gebietskrankenkasse im März/April in eine Situation der völligen Überschuldung die in einem normalen Unternehmen den Konkurs bedeuten würde", so Bittner. Damit stünde die WGKK vor einem noch nie da gewesenen Finanzierungsproblem. 157 Millionen Euro - so laute die Schuldenbilanz der Wiener Gebietskrankenkasse für das Jahr 2007, die kumulierten Schulden aller Gebietskrankenkassen belaufen sich auf 2 Milliarden Euro. Bei anderen Sozialversicherungsträgern wie BVA (Beamte), SVA (Gewerbliche Wirtschaft), SVB (Bauern) und VAEB (Eisenbahn, Bergbau) würde sich ein völlig anderes Bild abzeichnen. Während diese bis zum Jahr 2005 kontinuierlich Verluste geschrieben hätten, hätten sie, ganz im Gegensatz zu den Gebietskrankenkassen, von den gesetzlichen Veränderungen der schwarz/blauen Regierungspolitik profitiert und seither Gewinne erwirtschaftet. Die Sozialversicherung der Bauern sei von schwarz/blauer Seite besonders bevorzugt worden.

Verschlechterungen durch schwarz/blaue Bundesregierung
Bis zum Jahr 2003 seien alle Vertragsbediensteten bei den Gebietskrankenkassen versichert gewesen, durch eine Gesetzesänderung alle Vertragsbediensteten zum Bund, zu den Ländern oder den Gemeinden zur Beamtenversicherung oder zu den Gemeindebediensteten verschoben worden. In der Regel seien Vertragsbedienstete junge Menschen und "diese guten Risken gehen der GKK spürbar ab", so Bittner. Als weitere Problematik sieht der Vorsitzende der Gebietskrankenkassen, dass die GKK nicht mehr vorsteuerabzugsfähig sei, sowie die Unterdeckung bei den Arbeitslosen. "Hier hat der Gesetzgeber, die damals schwarz/blaue Regierung, massiv in die Wirtschaftlichkeit der Gebietskrankenkassen eingegriffen", betonte Bittner. "Wenn der Gesetzgeber etwas veranlasst, dann sollte er auch für die Finanzierbarkeit sorgen", so der Vorsitzende der WGKK weiter. Durch die gesetzlichen Änderungen von 2001 bis 2006 sei für die GKK ein enormer finanzieller Nachteil entstanden sowie eine Mehrbelastung für die Versicherten - unter anderem durch Beitrags- und Selbstkostenanteilerhöhung.

Gesundheitswesen in Wien einzigartig in Österreich
Bittner hob allerdings das gute Abschneiden des österreichischen Gesundheitssystems im internationalen Vergleich hervor und betonte, dass "es keine Kostenexplosion im Gesundheitssystem gebe." Auch lobte er die hohe qualitative und quantitative Ärztedichte in Wien sowie den Einsatz modernster Technologien und Medikamente, die das Gesundheitswesen in Wien einzigartig in Österreich machen würden. "Auf die Gefahr hin, dass wir in Wien zu viel Geld ausgeben, dafür gebe ich es gerne aus", so der Obmann der WGKK. Kritisch äußerte er sich zur momentanen Steuersituation, und forderte eine rasche Steuerreform sowie eine Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage und nannte Österreich "ein Steuerparadies für Reiche". Abschließend sprach sich Bittner deutlich gegen eine Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen aus, "da sich dadurch die Verwaltungskosten nicht verringern würden".

Mi, 12. 03. 2008


REAKTION:

Der Jammer mit dem Genossen Gusenbauer

13.03.2008 | 18:30 | CLAUDIA DANNHAUSER (Die Presse)

Die Basis mokiert sich über den neoliberalen Touch.

wien.Der Unmut unter den Genossen ist spürbar. Da hat man endlich eine rot geführte Regierung und was tut sich? Nichts, nicht viel jedenfalls. Darüber ist man sich im SPÖ-Bildungszentrum in der Praterstraße rasch einig. Es geht zwar dem Titel nach um die „Kranke(n)Kassen“ und die „konservative Gesundheitspolitik“ – ein Thema, das der Gewerkschafter und Wiener Gebietskrankenkassen-Obmann Franz Bittner mit Verve und Elan stundenlang vortragen kann. Eigentlich geht es aber um den Parteivorsitzenden.

Und Alfred Gusenbauer hat sich in letzter Zeit bei seiner Basis nicht gerade beliebt gemacht. Was die großteils älteren Herrschaften am meisten schmerzt, ist aber gar nicht der „Gesudere“-Sager, den der Kanzler an die ewig nörgelnden Gewerkschafter gerichtet hat. Das nimmt man hier offenbar sportlich. In Erinnerung blieb vielmehr ein Satz aus einem APA-Weihnachtsinterview, in dem Gusenbauer den Krankenkassen beschieden hatte, sie bräuchten sich nicht um einen Blankoscheck anstellen. Da geht es um die soziale Kernkompetenz, um das, was man sich im Laufe von Jahrzehnten hart erkämpft hat.

Wenn Bittner sagt, „der Neoliberalismus mit Augenzwinkern ist auch tief in unsere Partei eingedrungen“, dann erntet er nicht nur Applaus. Er wird sogleich getoppt: „Nicht in der Partei, an der Parteispitze ist der Neoliberalismus eingedrungen.“ Da muss selbst Bittner, der gesteht, nicht das beste Verhältnis zum Parteichef zu haben, zur Verteidigung ausrücken. „Gusenbauer ist einfach eingefahren“, meint er. Dem einen, aus dem Zusammenhang gerissenen Satz seien „viele kluge“ gefolgt.

Trotzdem findet ein junger Mann: „Die SPÖ steht voll Scheiße da.“ Da kann ihm Bittner nur beipflichten. Dass das so ist, liegt in den Augen der Genossen nicht nur am Chef. Es liegt an der ungeliebten Großen Koalition, es liegt an der ÖVP. „Die wollen den Gusenbauer nur ausrutschen lassen. Damit er noch unbeliebter wird – in der eigenen Partei“, so der Tenor.

Bittner-Warnung an die Ärzte

Bittner lässt allerdings auch beim Thema Gesundheitspolitik keine Gelegenheit zur Konfrontation aus. Der Bauernsozialversicherung habe die Vorgänger-Regierung „den Staubzucker hinten dreimal hineingeblasen“ – z. B. über die Tabaksteuer (Reaktion siehe unten). Aber auch die jetzige Regierung sei nicht besser. Bei der Rezeptgebühr – die den Kassen 70 Millionen Euro kostete – agiere sie wie jemand, der Einkaufen geht und nicht zahlt. Die 0,15 Prozent Beitragserhöhung war „volkswirtschaftlich vertrottelt“, besser wäre eine Erhöhung der Höchstbeitragsgrundlage (3840 Euro) gewesen. Und den Wiener Ärzten, mit denen Honorarverhandlungen auf Eis liegen, richtet er aus, dass er ohne Entgegenkommen lieber auf den vertragslosen Zustand setzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.03.2008)



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